Die Gebrüder Elenin und Nibiru

Ja, es ist wahr, der Komet Elenin, mit der offiziellen Bezeichnung C/2010X1 wird während der kommenden Wochen unser Sonnensystem durchqueren, bevor er Ende November wieder in den unendlichen Weiten des Weltalls auf Nimmerwiedersehen dahin schwebt. Nach Berechnungen anerkannter Institute hat der “Dreckige Schneeball” einen Durchmesser von ca. 3-5 km, und wird die Erde Mitte November mit einem respektablen Abstand von ca. 35 000 000 km passieren. Man hoffe, ihn mit einem Feldstecher beobachten zu können. Ende der Nachricht.

Ende der Nachricht? Weitgefehlt!

Der Komet Elenin, ein höchstwahrscheinlich (so ganz genau weiß ich das natürlich auch nicht) völlig harmloser und unbedeutender Eisklumpen, gelangte, zwar ausschießlich im Internet, hier aber vehement, zu Ruhm und Ehre, und wurde zu einer Berühmtheit.

Wie war das möglich?

Da es mir unmöglich erscheint, alle Seltsamkeiten, die C2010X1 umranken und nachgesagt werden zu Papier zu bringen, möchte ich mich auf einige wesentliche Eckpunkte beschränken, ohne den Anspruch zu erheben, ein “Eleninwahrheitsinhaber” zu sein.

Bereits kurz nach der Entdeckung des Kometen im Dezember 2010, schwappte eine erste Welle mit Gerüchten um den Entdecker und Namensgeber, Leonid Elenin, durch das Netz. Die eigenwilligen Geschichten um den russischen Hobbyastronom erweckten bei dem einen, oder anderen ein erstes Interesse, welches ganz allmählich den Status des Kometen Elenin anhob. Nachdem sich die Flugbahn von C2010X1 berechnen ließ, offenbarte sich ein erstaunlicher Zufall. Demnach erreicht Elenin seinen Sonnennächstenpunkt (Perihelion) ausgerechnet am 11.9.2011, also genau zehn Jahre nach 9/11. Findige fanden sogleich heraus, dass sich der Name Elenin verschwörerisch in ELE(VEN)NIN(E) (11/9) auftrennen lässt, und so stiegen die Zugriffszahlen auf den entsprechenden Internetportalen. Doch war das Alles bis dahin allemal unterhaltsam, war spätestens ab April 2011 “Schluss mit Lustig”. David Morrison, der ein Astrobiologe bei der NASA sein soll, oder gewesen sein soll, stellte eine Verbindung zwischen Elenin, und den verheerenden Naturkatastrophen der jüngsten Vergangenheit her, das Erdbeben in Japan mit eingeschlossen. Folgt man David Morrison, dann ist immer, wenn sich Elenin auf seinen Weg an einem ganz bestimmten verhängnisvollen Punkt befindet, z.B. Elenin-Erde-Sonne in einer Linie, mit einer rekordverdächtigen Katastrophe auf der Erde zu rechnen. Eine wissenschaftliche Erklärung, warum das so ist, reichte er ein, und lieferte auch gleich einen Kalender mit, an welchen Tagen die Menschheit auf Katastrophen ganz besonders gefasst sein sollte. Dieser endet am 25.12.2012, danach soll der Spuk vorbei sein. Die Krönung allerdings, die sollte noch folgen:

Die Verbrüderung von Elenin mit Nibiru.

Anfang August 2011 lud der nicht untalentierte Videomacher Conrebbi auf YouTube einen seiner Filme hoch, in dem er ein PDF-Dokument anonymer Herkunft vorstellt, welches einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das PDF-Dokument, in englischer Sprache verfasst, und mit unzähligen astrophysikalischen Daten untermauert, macht aus dem Schneeball Elenin ein wahres Monster, der bereits angeblich die Mächtigkeit besaß, die Achse des Saturn um 45° zu neigen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, sei Elenin lediglich nur der unheilvolle Vorbote von Nibiru, dem “Alleszerstörer”.

Durch das perfekt erstellte Dokument mit einem wissenschaftlichen Anstrich, kommt Elenin nun als quasi Bestätiger von Nibiru daher, und macht ihn so zu einem Star im Sternendschungel. Da haben wir den Salat.

Eines wird jedoch auffällig. Bei einer näheren Betrachtung des Hochpuschens dieses Kometen als gesamten Vorgang, scheint dem Ganzen eine raffinierte Intelligenz anzuhaften. Man nennt diese im Schachspiel Zugzwang. Mein Gegenüber muss den von mir gewollten Zug ziehen, dann ist es mir gelungen mein Gegner in eine sehr prekäre Stellung zu manövrieren, oder gar zu locken. Wer die Fähigkeit besitzt, eine derartige Situation herbeizuzwingen, der verfügt über weit voraus planendes strategisches Denken. Jeder, der sich lediglich rein informell über den aktuellen Kometen informieren möchte, landet per Zugzwang automatisch bei Nibiru, über den er nun gezwungen ist, falls er es noch nicht getan hat, ebenfalls Informationen einzuholen. Ich denke, dass man es sich viel zu einfach macht, die Verbrüderung von Elenin mit Nibiru irgendwelchen “esoterischen Spinnern” zuzuschreiben.

Elenin hat den Schaden angerichtet: Die Auferstehung Nibirus.

Und so muss auch Florian Freistetter, ein promovierter Astronom der Uni Wien, frustriert feststellen, da er doch dachte Nibiru bereits wegbewiesen zu haben, dass er nun wieder unnötigerweise genötigt werde, sich erneut mit diesem aberwitzigen Thema befassen zu müssen. Bereits den gesamten Sommer hindurch kämpfen er und einige Mitstreiter, die bei jeder Gelegenheit auf den Freistetter-Blog www.scienceblogs.de verweisen, einen aufopferungsvollen Kampf, Nibiru aus den Köpfen seiner Anhänger herauszuschlagen. Doch noch jede so gut und schlüssig, auf naturwissenschaftlichen Gesetzen fundamentierte, geführte Argumentationskette, vermag die Anhänger Nibirus von ihrer Überzeugung, dass dieser unheilvolle Planet im kommenden Jahr ganz Gewiss sein Unwesen treiben wird, abzubringen. Nibiru ist nicht tot zu kriegen.

Gegen Nibiru ankämpfen, gleicht gegen Windmühlen anrennen. Die Fronten sind lange bereits verhärtet und der Ton wird schärfer. Wer eine derart geführte Konversation einmal verfolgen möchte, hier der Hinweis auf ein exemplarisches Forum: www.allmysterie.de

Im Angesicht der hart geführten Diskussion offenbart sich ein Paradoxon, welches wirklich bemerkenswert ist. Trotz der prophezeiten und angekündigten katastrophalen Folgen, die Nibiru zugeschrieben werden, lösen diese ganz offensichtlich bei seinen Anhängern keinerlei Ängste aus. Hingegen er (Nibiru) bei den Vertretern, die glauben zu wissen, dass ein solcher Planet, auf Grundlagen aller bekannten physikalischen Gesetzen, gar nicht existieren kann, förmlich den Angstschweiß auf die Stirn – und die Wutesröte ins Gesicht treibt.

Wie erklärt sich dieser Widerspruch?

In einem weiteren Teil werde ich versuchen dieser Frage nachzugehen. Außerdem werde ich versuchen zu erklären, warum eigentlich Herr Freistetter, in einer geradezu ignoranten Art und Weise, von allen Medien außerhalb des Internets im Stich gelassen wird, denn der Hoax um die Gebrüder Eleninnibiru dürfte auch unserer erlauchten Presse nicht entgangen sein.

Ein Artikel von Thomas Janke

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Nibiru

Schreibe einen Kommentar